mercoledì 15 febbraio 2012

Sizilien



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Sonne und mehr – Frühlingsgefühle auf Sizilien 

Ist jetzt schon Frühling? Ja! Mitte Januar beginnt auf Sizilien die Mandelblüte. Die milde Jahreszeit ist ideal für Wanderungen durch das Hinterland. 

Die Piazza Carlo Alberto im historischen Zentrum von Catania ersetzt den Anwohnern das Wohnzimmer. Oder eine Bühne. Damen in eleganten Kostümen stöckeln über den mit schwarzen, rechteckigen Lavaplatten gepflasterten Platz – die Eleganz, mit der die Signoras ihren Tanz auf einem so ungünstigen Parkett hinlegen, scheint angeboren zu sein.

Nebenan kickt unterdessen der Nachwuchs, ein Mülleimer sowie eine Sitzbank aus weißem Kalkstein ersetzen das fehlende Tor. Ihre Rufe, die Finten und Posen nach einem gelungenen Schuss: Alles am Spiel der vielleicht siebenjährigen Knirpse verrät, dass auch sie bereits mit dem großen Publikum rechnen.
Luigi Pirandello meinte, das Leben sei ein Theaterauftritt. Dass es eine Lust bedeutet, sich zu entblößen, hinter tausend Masken zu schlüpfen, erkannte der italienische Schriftsteller auch. Logisch, möchte man folgern: Der Nobelpreisträger des Jahres 1934 stammte aus Sizilien.

Bleiche Gesichter

Ein milder Frühlingswind wiegt die Palmen, die die Piazza Carlo Alberto inmitten prächtiger Barockgebäude umrahmen. Ein Touristenpaar aus Deutschland hockt auf den Treppenstufen, die zur imposanten Basilica del Carmelo hinaufführen.
Die Reißverschlüsse ihrer Daunenwesten sind geöffnet, während die Nachmittagssonne auf ihre bleichen Gesichter scheint. Das Thermometer zeigt angenehme 9 Grad Celsius im Schatten, und das erst Ende Januar.
Die Luft ist erfüllt vom Palaver der Menschenmenge und dem Duft reifer Früchte. Auf den Marktständen ringsum türmen sich Fenchel, Tomaten, Artischocken und Orangen zu bunten Gebirgen.
Die Blutorangen, erkennbar an der dunklen Pigmentierung der Schalen, wachsen im hügeligen Umland Catanias heran. Sie werden in diesen Wochen geerntet.
Bei uns ist der Winter ein Frühling“, sagt Roberto Li Calzi und lächelt dazu triumphierend. Der 55-Jährige wohnt am Lago di Lentini unweit der gleichnamigen Kleinstadt, eine halbe Autostunde südlich von Catania
Li Calzi ist Landwirt und lebt mit zwei struppigen Hunden in seiner Azienda agricola, einem burgähnlichen Baukomplex, in dessen Innenhof ein bizarr verwachsener Ficusbaum thront. Unter Arkaden, an denen sich lila Bougainvilleen emporranken, stehen Kisten mit Gemüse herum.
Li Calzi verschickt seine Bioprodukte an Mitglieder einer Fair-Trade-Genossenschaft in ganz Italien. Bevor Roberto Li Calzi die Azienda seines Vaters übernahm, durchwanderte er jahrelang den indischen Subkontinent.
Wohl deshalb strahlt der hagere Mann mit dem grau melierten Vollbart die stoische Gemütsruhe eines Weisen aus – trüge er anstatt Jeans und Wollpullover eine orangefarbene Kutte, könnte man ihn mit einem hinduistischen Asketen verwechseln. Eingebettet ist Roberto Li Calzis Gehöft in ein Meer von Zitrusgewächsen.

Wenn der Ätna grummelt

Aus den immergrünen Laubdächern leuchten die roten Orangenkugeln hervor wie ein vergessener Christbaumschmuck. Überragt wird die Szenerie im Osten Siziliens vom gewaltigen Ätna, dessen kegelförmiger Gipfel heute von einem weißen Nebelschleier umhüllt bleibt.
Erst vor wenigen Wochen habe der Vulkan wieder gegrummelt, erzählt Li Calzi und zeigt zum Beweis schwarze Aschekrümelchen auf dem Wellblechdach, unter dem seine Bienenvölker überwintern.
Ob er Angst hat? „Nur Respekt“, antwortet er. Alles, was in dieser fruchtbaren Landschaft gedeiht, ist dem Ätna geschuldet. „Er ist wie eine Mutter: gütig und streng – er schenkt in Fülle, aber manchmal straft er uns auch.“
Im Spätwinter trumpft Sizilien mit seinen Schätzen auf. Die Jahreszeit ist ideal für Entdeckungstouren. Wenn man bei Lentini in die Seitenstraßen in Richtung Meer einbiegt, kommt man an blühenden Rosenstöcken vorbei, passiert Gärten mit gelb schäumenden Mimosen.
Die weißen Blütensterne der Mispelbäume werden umsummt von gierigen Wespen. Die Stämme junger Zitrusbäumchen links und rechts der Fahrbahn wurden mit Kalk bestrichen.
„Um sie vor den Bissen der Feldhasen zu schützen. Das ist so etwas wie Schokolade für sie“, erklärt ein Bauer, der am Straßenrand bei Casarano kistenweise Pampelmusen anbietet. „Am Baum gereift, sind sie viel süßer als das Zeug, das es bei euch im Supermarkt gibt“, versucht er uns zum Kauf zu überreden. Wir wären heute seine ersten Kunden, die Geschäfte laufen schlecht.
Zu groß sei die Konkurrenz von Billiganbietern aus Tunesien und Marokko, sagt der wettergegerbte Alte, dessen Dialekt schwer zu verstehen ist – auch deshalb, weil in seinem Mund fast alle Zähne fehlen.
Schon von Weitem sieht man Brucoli, das wie eine Auster inmitten einer muschelförmigen Felsenbucht über dem glitzernden Golf von Catania klebt. Während der Sommermonate ist im Zentrum rund um die Pfarrkirche kein Durchkommen.
Das ehemalige Fischerdorf zählt zu den beliebtesten Schnorchelrevieren Siziliens. Jetzt kündigt sich auf der Piazza, wo die Autobusse haltmachen, ein ambulanter Gemüsehändler mit seinem Kleinlaster per Lautsprecher an.

Hinauf zum Hochplateau

Aber nur eine schwarz gekleidete Matrone eilt herbei, sonst lässt sich keiner blicken. Die Trattorien an der Flaniermeile, die hinunter zum idyllischen Hafen führt, haben geschlossen, genauso die Bettenburgen am Ortsrand, die mit heruntergelassenen Rollläden vor sich hindämmern. Umso schöner ist ein Spaziergang am menschenleeren Strand.
Über knöcheltiefes Seegras, vorbei an angeschwemmtem Totholz sowie Plastikmüll und dann steil empor auf ein karstiges Hochplateau schlängelt sich ein hübscher Pfad bis zu einem uralten Marienheiligtum.
An diesem Nachmittag verraten nur weggeworfene Orangenschalen vor dem verriegelten Holztor, dass bereits vor uns Besucher hier waren. Außer dem Gekreische der Möwen und dem Rascheln der Blätter im Gestrüpp ringsum herrscht Stille.
Weit draußen pflügt ein vorbeiziehendes Containerschiff einen weißen Strich in das azurblaue Mittelmeer.In Syrakus ist es vorbei mit der Stille und Einsamkeit. Die Auto fahrenden Bewohner der Provinzhauptstadt beherrschen perfekt die Kunst, sich im Straßenchaos unauffällig vorzudrängeln.
Deshalb parkt man seinen Wagen am besten in der Nähe des Bahnhofes, von dort sind es wenige Gehminuten bis zu den berühmten Sehenswürdigkeiten aus der griechischen Antike.
Im mittelalterlichen Herzen der Stadt kneift man unwillkürlich die Augen zusammen, geblendet vom strahlenden Weiß der Häuserfassaden, die am Abend die tagsüber gespeicherte Wärme abgeben.

Kitsch und eine Kartenleserin

Beim Bummel durch das Gassenlabyrinth entdecken wir das Atelier von „Miss Sahara“, Astrologin und Expertin im Kartenlesen, außerdem einen Laden mit kitschigen Heiligenbildern. Im Freien neben der Eingangstür warten lebensgroße Plastikfiguren von Kühen und Eseln auf Käufer – wir wagen nicht zu fragen, wer so etwas haben will.
Hingegen gibt ein pummeliger Jugendlicher bereitwillig Auskunft, der bei einem Vogelhändler für 20 Euro zwei Tauben erwirbt: „Wir dressieren die Tiere und lassen sie dann irgendwo frei.
Wenn sie zurückkehren, bringt das Glück.“ Viele der stuckverzierten Palazzi von Syrakus sind mustergültig renoviert. In den Restaurants auf dem vorgelagerten Inselchen Ortigia, das durch eine Brücke mit der Stadt verbunden ist, kommt fangfrischer Schwertfisch auf den Tisch: ausgezeichnet, aber nicht ganz billig.
Wie ausgewechselt wirken die Kulissen, wenn man vom Nordrand der Stadt dem Anapofluss in das gebirgige Insel?innere folgt. Nackt und steil wachsen die Monti Iblei in den südlichen Himmel, die Höhlen in den weichen Kalkfelsen am Anapo dienten seit der Vorgeschichte als Wohn- und Bestattungsorte.
Heute ist es eine karge, über weite Strecken unbewohnte Region, in die man hier vordringt. Die Straße windet sich durch tiefe Schluchten, dann über wogende Hügel mit gepflügten Feldern, in deren Mitte verlassene Bauernhöfe stehen.
Man kommt an Dörfern vorbei wie Solarino, Ferla und Sortino, wo sich die Häuser aus grauem Naturstein wie Festungsbauten an den Hügelkuppen aneinanderreihen. Der abweisende, wehrhafte Eindruck ist kein Zufall.

Die Alten bleiben zurück

Schließlich sei vom Meer her immer alles Übel gekommen, erklärt der Barbesitzer an der Via Libertà in Sortino, der mehrere Jahre in der Schweiz gearbeitet und von dort einige Brocken Deutsch mitgebracht hat: Piratenüberfälle, fremde Eroberer, Steuereintreiber – heute residiere in Syrakus die ungeliebte Provinzbehörde.
Andererseits gebe es nur einen Ausweg für die ausblutenden Dörfer am Fuß der Monti Iblei: mehr Tourismus. Doch das sei schwierig. „Für Investitionen fehlt das Geld, viele Junge, vor allem die gut ausgebildeten, emigrieren.
Zurück bleiben die Alten.“ Die sitzen dann vor ihren bröckelnden Häusern und warten darauf, dass sich mal wieder etwas bewegt. Allein, es tut sich nichts.
Was ja auch den Charme dieses stillen Hinterlandes ausmacht, wo man Grabhöhlen und Ausgrabungsstätten erforschen kann, oder man genießt auf Wanderungen die Ruhe und unberührte Natur. Sonst könnte man ja gleich in Catania oder Syrakus bleiben.

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